Uldry – die Kultur und die Kunst des Plakatdrucks
Ein Betriebsporträt
Geht man auf das unscheinbare Gewerbehaus in Hinterkappelen bei Bern zu, ahnt man kaum, was da verborgen ist. Spätestens im Treppenhaus aber wird klar: Hier geht es um Kultur.
Da hängen nämlich Plakate renommierter Kulturinstitutionen, die Kunsthalle Bern, der Fondation de l’Hermitage Lausanne oder des Museums für Gestaltung Zürich. Betritt man dann die Betriebsräume, wird noch etwas anderes deutlich: Hier geht es um die Kultur und um die Kunst des Plakatdrucks.
Der Siebdruck als Medium
Diese Kunst hat bei Uldry Tradition. Nachdem Albin und Noëlle Uldry den Betrieb 1964 eröffnet hatten, wurde das kleingedruckte «Uldry AG» auf Plakaten in der ganzen Schweiz mehr und mehr zu einem Brand für hochqualifizierten und -differenzierten Siebdruck. Es war die hohe Zeit dieser Drucktechnik, die im Rückblick als eigenes Medium neben Zeichnung, Malerei und den herkömmlichen Drucktechniken bezeichnet werden kann. Bei Uldry gingen sehr bald viele bekannte Grafiker – heute heisst dieses Metier Visuelle Kommunikation – ein und aus, Künstler und Künstlerinnen kamen, um ihre Serigraphien in Zusammenarbeit mit Meister Uldry nach ihren Vorstellungen zu realisieren. Denn sie wussten: Bei Uldry gibt es Raum für Experimente, da wird nicht nach industriellen Massstäben und nach Schema X gedruckt. Selbstverständlich wussten viele kommerzielle Auftraggeber die Vorteile dieser Druckkultur ebenfalls zu schätzen.
Das ist bis heute so geblieben, seit nunmehr fast fünf Jahrzehnten.
2009 übernahmen Jacques und Madeleine Uldry die Geschäftsleitung des Betriebs. Jacques hatte dort schon seit rund dreissig Jahren gearbeitet, kannte also alle Abläufe aus dem Effeff – und vor allem: Auch er hatte sich die Kunst des Siebdrucks angeeignet, die hohen Ansprüche seines Vaters waren ihm zur zweiten Natur geworden. Madeleine, ursprünglich im Gesundheitswesen tätig, leitet mit Umsicht die Administration, pflegt auf ihre sehr persönliche Weise die Kundenkontakte – und trägt das Ihre zum guten Betriebsklima bei.
Tradition – und der Blick nach vorne
Die neue Geschäftsleitung hat also die Tradition im Rücken. Und sie hat die Zukunft vor Augen. Der Siebdruck wird zwar weiterhin mit hohem handwerklichen Know how gepflegt, denn er lässt sich in vielen Bereichen nicht ersetzen, ist, vergleichbar der analogen Fotografie, ein eigenständiges Medium und wird entsprechend nicht einfach plötzlich veraltet sein. Die neue Geschäftsleitung hat den Serigraphie-Betrieb aber durch Maschinen für den Digitalprint ergänzt, in dem die Differenzierung zugleich ständig vorangetrieben wird – denn auch hier gilt: Wenn Uldry druckt, dann nur in Uldry-Qualität.
So ist es jetzt möglich, je nach drucktechnischen Vorgaben, je nach Kundenwunsch und Anforderungen von Gestaltern, die jeweils richtige Drucktechnik auszuwählen und anzuwenden, ja, sogar Kombinationen werden ausgetüftelt, und so ist es durchaus machbar, in einer Art Mischtechnik Digitalserigrafien herzustellen. So können beispielsweise die farblich komplexen Logos von Sponsoren oder andere Einzelelemente digital gedruckt werden, während das Hauptmotiv des Plakats per Siebdruck gedruckt wird.
Wer in den Betriebsräumen, im grossen Raum für Siebdruck, im Atelier für die Siebvorbereitung, im Farblabor und in der Vorstufe für die digitale Aufbereitung herumgeht, merkt bald, dass hier nach wie vor die Atmosphäre einer Manufaktur herrscht. Es wird ruhig gearbeitet, mit einer Selbstverständlichkeit und Präzision, die einem handwerklichen Geist entspricht – bei allem Einsatz von neusten Technologien. Der Chef der Druckerei geht, immer den Hut, sein äusserliches Markenzeichen, auf dem Kopf, mit der gleichen Gelassenheit und Konzentration ans Werk wie seine Mitarbeiter, die eher als Partner wirken denn als Angestellte.
Kooperation als Devise
Es gibt in diesem Betrieb derart zwar für alle notwendigen Belange Spezialistinnen und Spezialisten, aber alle wissen auch über die anderen Bereiche Bescheid und springen da und dort ein. Es ist eine offene Arbeitsteilung, die hier praktiziert wird, eine Kooperation für das beste Resultat, in der Schwierigkeiten – zum Beispiel technische, die selbstverständlich auftauchen – in der Diskussion gelöst werden. Und Kooperation ist auch das Stichwort, wenn es um die Ausbildung von jungen Menschen geht. Sie sind dem Betrieb ein Anliegen; hier können DrucktechnologenInnen mit Fachrichtung Siebdruck ihren Abschluss machen, den Uldry-Geist weitertragen – und zugleich ihre eigenen Ideen und Überlegungen einbringen.
Das gilt ebenso, wenn, wie einst, Gestalter und Künstler das Wissen und das Können von Uldry in Anspruch nehmen: Sie kommen nach Hinterkappelen und stehen zusammen mit den Druckexperten an der Maschine – bis das Resultat ihren Vorstellungen entspricht.
Eben das ist der Uldry-Geist: Die Verbindung von bodenständigem Handwerk mit der Lust am Experiment, mit der Neugierde auf das, was kommen wird. Eben das ist die Kultur, ist die Kunst des Plakatdrucks.
Ein Besuch in Hinterkappelen lohnt sich, auf jeden Fall. Man wird mit offenen Armen empfangen. Und es gibt auch einen guten Kaffee – neben allen guten Druckerzeugnissen, neben vielen guten Plakaten, die es zu entdecken gilt. Im Übrigen darf man da durchaus etwas ins Staunen geraten.
Konrad Tobler (Frühling 2009)
Werner Jeker «Hommage à Albin Uldry»
l’elac, Renens. 6.1.2010 bis 29.1.2010
Im Lausanner Kunstraum espace lausannois d’art contemporain (l’elac) findet eine Ausstellung des Grafikdesigners Werner Jeker statt. In diesem Rahmen werden 43 Plakate präsentiert, die Albin Uldry, Hinterkappelen (BE), im Siebdruckverfahren hergestellt hat.
Werner Jeker: geboren am 25. Dezember 1944 in Mümliswil/CH, lebt und arbeitet in Lausanne. Er arbeitet regelmässig mit einer Vielzahl von kulturellen, sozialen und kommerziellen Institutionen zusammen.
Werner Jeker wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Unter anderem verlieh ihm das International Center of Photography, New York, 1988 einen Award for Exceptional Use of Photography in Graphic Design, und 1989 erhielt er den ersten Preis für eine neue Schweizer Banknotenserie.
In den Jahren 1974 bis 1986 war er Lehrer an der Schule für Gestaltung Lausanne (ECAL), und von 1995 bis 1998 übte er eine Lehrtätigkeit in Karlsruhe und Paris aus. Von 2003 bis 2007 war Werner Jeker Co-Leiter des Studiengangs Visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Er ist auch Mitglied der Vereinigung der weltweit renommierten Grafik- und Kommunikationsdesigner Alliance Graphique Internationale (AGI).
Albin Uldry: geboren am 25. April 1932 in Vevey. Nach dem Erwerb seines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses bei den Gebrüdern De Grandi in Vevey arbeitete er bei Neon Mex in Lausanne. 1964 eröffnete er sein eigenes Siebdruck-Atelier Uldry AG in Hinterkappelen (BE), welches er zusammen mit seiner Frau Noëlle betrieb. Während 46 Jahren stellte er Plakate für die bedeutendsten schweizerischen und internationalen Künstler her.